Seit Tagen Wochen Monaten fast einem Jahr habe ich mir vorgenommen, den Arbeitsweg mal wieder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Im September letzten Jahres hatte sich die Strecke meines Arbeitsweges schlagartig von knapp 6km auf gut 20km verlängert. Der Umzug in den Dresdner Speckgürtel hatte dazu geführt, dass ich mich „aus Gründen“ dann doch tagtäglich für das Auto entschieden habe. Manchmal war das Wetter nicht gut genug, manchmal gab es Termine und manchmal hatte ich einfach keinen Bock. Letzteres behielt ich selbstverständlich für mich. Um gegenüber dem inneren Schweinehund noch etwas Druck aufzubauen, verkündete ich gestern meiner Frau, dass ich mal wieder mit dem Fahrrad auf Arbeit fahren würde. Natürlich nur, wenn das Wetter passen würde. Unverständlicherweise erntete ich leicht ungläubige Blicke. Immerhin wurde kein Versuch unternommen, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Gegen 5:30 klingelte – wie fast jeden Morgen – der Wecker und noch auf dem Weg zur morgendlichen Sitzung prüfte ich die Bilder des aktuellen Regenradars. Kein Regenwölkchen weit und breit. Der Plan musste also zwangsläufig in die Tat umgesetzt werden. Schnell noch ein Käffchen nebst zwei Scheiben Toast in die Futterluke geschoben, das Sport-T-Shirt angezogen, eine Obertrikotage zum Wechseln eingepackt, und schon konnte es losgehen. Bereits am Vorabend hatte ich mir via Google-Maps die Route berechnen lassen. Da dabei meiner subjektiven Meinung nach nicht die kürzeste Verbindung angezeigt wurde, wechselte ich von „mit dem Fahrrad“ auf „zu Fuß“, was die Wegstrecke von stolzen 21,6km auf gemütliche 18,5km schrumpfen ließ. Sicherlich würde hier und da einen Wald-&Wiesenweg befahren werden müssen, aber das sollte ja irgendwie machbar sein. Dachte ich zumindest. Bereits nach wenigen Kilometern säuselte mir die „Google-Maps“-Stimme ins Ohr, dass ich die Straße verlassen und mich linker Hand in die Büsche schlagen solle. Gerade noch rechtzeitig erkannte ich, dass sich tatsächlich ein Weg durch das Gestrüpp schlängelte und so verließ ich die Asphaltstraße. Schnell merkte ich jedoch, dass mein schmalbereiftes Stadtrad für steinig-sandigen Untergrund nicht geschaffen ist. Noch bevor ich meine Streckenwahl groß bereuen konnte, leitete mich die nette Stimme aus dem Ohr wieder auf die Straße. Ich hatte vielleicht 100 Meter eingespart und dafür Dank der Beschaffenheit des Untergrundes eine halbe Ewigkeit gebraucht. Na toll – Anfängerfehler. Dennoch blieb ich meiner Linie treu – galt es doch, den kürzesten Weg zu finden. Dies musste ja – wie mir jetzt so langsam klar wurde – nicht zwangsläufig auch gleichzeitig der schnellste sein. Und so wunderte ich mich nicht, als ich bald wieder auf einen Feldweg einbog und ich, den Sonnenaufgang im Rücken, über die Wiesen und Felder holperte.
Ernsthaft ins Stocken kam meine Unternehmung erst, als sich mir an dieser Stelle ein Bauzaun in den Weg stellte. Mir schwante Böses. Sollte hier – anders als mir mal mein Kollege vor einiger Zeit versicherte – tatsächlich die Unterführung unter der A13 wegen diverser Baumaßnahmen noch immer gesperrt sein? Etwas ratlos schlich ich den Bauzaun entlang, in der Hoffnung, eine Lücke zu finden. Als ich mich schon auf den Wurf des Fahrrads über den Bauzaun gefolgt von einem sportlichen Hechtsprung vorbereiten wollte, sah ich, dass selbst eine Querung dieses unscheinbaren Hindernisses nichts bringen würde. Die Unterführung war großflächig mit Holzplanken vernagelt – da war tatsächlich kein Weiterkommen. So blieben mir nur zwei Möglichkeiten: Auf gleichem Wege zurückholpern oder mich querfeldein über die Felder entlang der Autobahn zur nächsten Unterführung durchschlagen. Da ich noch nie gern den gleichen Weg zurückgegangen bin, entschied ich mich für letztere Variante und landete mit leicht durchnässtem Schuhwerk an dieser Stelle.
Nunja – immerhin – kein Bauzaun weit und breit und auch ein Licht am Ende des Tunnels aber dann doch irgendwie unerreichbar. So hatte ich mir meinen Weg zur Arbeit nun wirklich nicht vorgestellt. „Nich jammern“…pflege ich in so einem Fall meinem dreijährigen Sohn zu sagen und nahm mir nun ausnahmsweise mal selbst diesen Spruch zu Herzen. Weiter ging es Richtung Norden. Immer schön an der Autobahn entlang mit dem Wissen, dass ich irgendwo diese Asphaltstraße kreuzen müsste, die ich irgendwann auf Geheiß meines Navis verlassen sollte. So geschah es dann auch und ich brauste in einer Geschwindigkeit dahin, die mir bis dato nicht gegönnt war. Gestoppt wurde ich erst, als mir die Dame in meinem Ohr im nächsten Ort riet, in den Holzweg einzubiegen. Wollte sie mich verarschen? War hier irgendwo eine versteckte Kamera? Mitnichten – den Holzweg gab es hier tatsächlich. Dennoch weigerte ich mich erstmals an diesem Tag, den Anweisungen Folge zu leisten und blieb auf der Asphaltstraße. Abgelenkt von den misstrauischen Blicken eines Laubenpiepers verlor ich dann doch wieder irgendwie den Faden und landete auf Wegen, die mich zu der Erkennis brachten, dass es doch an der Zeit wäre, mir auch mal eines dieser geländegängigen Mountainbikes zuzulegen. Gerade noch rechtzeitig fiel mir während einer wilden Abfahrt durchs Unterholz der Dresdner „Jungen Heide“ eine kleine Erhebung mitten auf dem Waldweg auf. Jemand hatte sich wohl eine Schanze gebaut und ich rauschte nun mit voller Geschwindigkeit darauf zu. Zum Bremsen war es zu spät und so zirkelte ich meinen Drahtesel millimetergenau um das Hindernis. Glück gehabt. Und doch wurde ich dieses Gefühl nicht los, dass das heute nicht mein Tag war. Nach knapp zwei Stunden war ich am Ziel. Geplant war die Hälfte der Zeit.
Trotz meiner Irrfahrt erntete ich auf Arbeit viel Lob und Anerkennung von den Kollegen. Gleichzeitig wurde ich darauf hingewiesen, dass sich meine Fähigkeiten der Koordination verbessern würden, je öfter ich die Strecke fahren würde. Ich muss zugeben, dass ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht mal sicher war, ob ich mich für den Rückweg nochmal diesen Strapazen aussetzen wollen würde. Ein Kollege riet mir, mal die App komoot anzuschauen. Diese würde wohl gerade für orientierungslose Radler wie mich automatisch die für meine Bedürfnisse besten Wege berechnen. Und so freute ich mich dann doch über das trockene Wetter und schwang mich für den Heimweg erneut auf den Sattel. Die nun gewählte Route war Dank der fiesen Anstiege doch etwas schweißtreibender als gedacht aber im Vergleich zur morgendlichen Tour Balsam für die Radfahrerseele:
Das Höhen- und Geschwindigkeitsprofil der Strecke gibt es nach dem Klick auf diesen Link.