Feb 05 2010
Durchfall – Und das kurz vor dem 13. Februar!
Heute morgen, als ich es mir auf der Schlotte* noch gar nicht richtig bequem gemacht hatte, brach es wie ein Wasserfall aus mir heraus. Da, wo ich sonst festen und wohlgeformten Stuhl erwarte, ergoss sich unter mir ein Schwall dünnflüssig-brauner Flüssigkeit. Ohne einen Blick auf das Ergebnis der frühmorgendlichen Darmentleerung zu werfen, konnte ich mir sehr gut vorstellen, was ich da im sonst so jungfräulich-weißen Prozellanstuhl angerichtet hatte. Augenblicklich musste ich an den 13. Februar denken….
Für alle Nicht-Dresdner ein kurzer historischer Exkurs von einem Hobby-Historiker:
Im Februar 1945 war die Deutsche Wehrmacht auf dem Rückzug. Obwohl es an allen Fronten Niederlagen gab, kam für Hitler und damit für Deutschland eine Kapitulation nicht in Frage. Vom 13. bis 15. Februar 1945 wurde Dresden von den Alliierten bombardiert. Tausende Menschen kamen ums Leben und ein Großteil der Stadt wurde zerstört. Über die Frage, wie man mit diesem Tag umgehen soll, gibt es schon seit Jahren sehr unterschiedliche Meinungen. Heute fragt man sich in Dresden vor allem, wie man mit den seit dem Jahr 2000 stattfindenden sogenannten „Trauermärschen“ der Neonazis umgehen soll. Ignorieren? Verbieten? Blockieren? Der kleinste gemeinsamer Nenner derer, die gegen das Gedankengut der Nazis protestieren wollen, wäre sicherlich eine gemeinsame friedliche Protestdemonstration. In den letzten Jahren kam diese jedoch nicht zu stande, da sich das politisch doch eher schwarze Dresden ungern mit den tiefroten Genossen in eine Reihe stellen wollte. Die Gegendemonstrationen liefen jedes Jahr ähnlich ab. Die Nazis kamen zahlreich und durften ihr Gedankengut herausbrüllen, die Gegendemonstrationen und -aktionen waren zwar zahlreich aber aufgrund der Zersplitterung blieb bei den Teilnehmern oft der Eindruck, dass sich die Beteiligung in Grenzen hielt. Viel Polizei und hier und da ein paar sogenannte Extremisten, die geschickt von den für Touristen wichtigen Sehenswürdigkeiten ferngehalten wurden.
In diesem Jahr soll alles anders werden. Die Stadt engagiert sich mehr als andere Jahre in einem „Breiten Bündnis Dresdner Organisationen„. Mit einer Menschenkette möchte man „…symbolisch die Dresdner Innenstadt vor dem Eindringen Rechtsextremer schützen“. In der SZ beschäftigt man sich unterdessen in einem erstaunlich guten Artikel mit der Frage „Warum man mit Menschenketten die Ungeister nicht los wird„. Andere setzen auf Blockade und müssen dafür schonmal mit dem Besuch des LKA rechnen. Der übereifrige Dresdner Staatsanwalt Avenarius setzte sich überraschend konsequent für das seiner Meinung nach besonders schützenswerte Demonstrationsrecht der Nazis ein und erntete bundesweit kopfschütteln.
Mittlerweile hat die Stadt den „Trauermarsch“ verboten. Dafür dürfen sich die Nazis auf dem Schlesischen Platz am Neustädter Bahnhof austoben. Brisant, wenn man bedenkt, dass der Neustädter Bahnhof für viele Juden Ausgangspunkt für deren Verschleppung in die Konzentrationslager war….halt…Moment…soeben wird gemeldet, dass die Nazis nun doch marschieren dürfen. Das Verwaltungsgericht Dresden bezieht sich dabei auf das in unserer Demokratie nicht ganz unwichtige Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Je näher der Tag rückt und je intensiver die Berichterstattung in den Medien wird, desto mehr befürchte ich, dass der (in meinen Augen) wichtigste Punkt ins Hintertreffen gerät, nämlich der Einsatz gegen jegliche Form von Rassismus und rechtem Gedankengut. Sicher besteht wie Jane in einigen Kommentaren eines anderen Artikels vehement argumentiert die Gefahr, dass der Protest gegen die Nazis nicht mehr als ein Feigenblatt ist und sich die Gesellschaft damit vor der tatsächlichen Verantwortung drücken will. Dennoch bin ich der Meinung, dass es besser ist Gesicht zu zeigen, als die rechten Parolen reaktionslos hinzunehmen.
Um nochmal zum Anfang zurückzukommen: Ich für meinen Teil habe heute morgen schonmal mit einem kräftigen Druck die Spülung betätigt und somit – nicht nur symbolisch – in einem Rutsch das braune Elend beseitigt. Die Sparspülung für das kleine Geschäft hat selbstverständlich nicht gereicht. Am 13. Februar sollte man aber schon etwas mehr tun. Ich bin der Meinung, dass man sich auf jeden Fall an einer der friedlichen Aktionen beteiligen sollte. Vielleicht schafft es ja darüberhinaus noch der eine oder andere, einen in diesem Zusammenhang zielführenden Gedanken an sich und sein Umfeld zu verschwenden und zu überlegen, was man noch alles machen kann, um dem braunen Stumpfsinn Einhalt zu gebieten. Klingt vielleicht ein wenig traumtänzerisch und naiv – aber wenn sich jeder in seinem Umfeld offen gegen Rassismus einsetzt, dann könnte man vielleicht insgesamt etwas bewirken. Das Problem sind nicht in erster Linie die sich offen zu rechten Parolen bekennenden NPD-Wähler. Das Problem ist der schleichende und oft versteckte Rassismus in der Gesellschaft.
*© Schulle (Bezeichnung für „das Örtchen“)
4 Kommentare zu “Durchfall – Und das kurz vor dem 13. Februar!”
Da du unsere Diskussion hier noch einmal aufgegriffen hast, melde ich mich – auch auf die Gefahr hin, dass ich mich hier nun gänzlich unbeliebt mache – noch einmal zu Wort 😉
Ich persönlich finde es momentan hoch interessant, jene Formulierungen genauer zu analysieren, die gerne im Zusammenhang mit Protestaktionen gegen Neonazis verwendet werden, wie da wären etwa „ein Zeichen setzen“ oder „Gesicht zeigen“.
Was bedeuten sie? Was steckt dahinter? Wenn etwa im Zusammenhang mit dem Versuch, einen rechtlich im Rahmen unseres demokratischen Grundgesetzes legitmierten Aufmarsch von Neonazis zu ver- oder behindern, die Phrase „ein Zeichen setzen“ gebraucht wird, muss ich mich doch fragen, gegen was ich dann eigentlich ein Zeichen setze. In diesem Fall nicht gegen Rechts, sondern gegen den demokratischen Rechtsstaat, der die Demonstration der Rechten ausdrücklich erlaubt hat, während die Protestler dies nicht hinnehmen wollen und dagegen agieren.
Stelle ich mich hingegen an den Straßenrand, friedlich, mit einem Plakat in der Hand, auf dem steht: „Die Bürger dieser Stadt wehren sich gegen eine Vereinnahmung durch rechten Revisionismus“, OHNE die Demonstration der Rechten zu behindern, dann setze ich ein Zeichen gegen Rechts. Noch viel wirkungsvoller setze ich aber ein Zeichen gegen Rechts, wenn ich mich um die Jugend unseres Landes kümmere, und zwar in ihrer Gesamtheit, nicht nur um die, die ich für geeignet halte, einmal in die Elite dieses Landes aufzusteigen und zu den sogenannten „Leistungsträgern“ zu gehören.
Wenn ich des Weiteren immer nur dann mein Fähnlein in den Wind hänge, wenn Nazis demonstrieren und womöglich noch Kameras aus aller Welt vor Ort sind, dann zeige ich zwar an 3 Tagen im Jahr „Gesicht“, aber an 362 Tagen ziehe ich den Kopf ein und verschließe die Augen vor den eigentlichen Problemen, die dazu führen, dass ich an 3 Tagen im Jahr dann demonstrativ „Gesicht zeigen“ muss.
Dass du dich unbeliebt machst erkennst du daran, wenn ich deinen Kommentar lösche! 😈
Nee – quatsch – sowas mache ich nicht.
Auch wenn ich nicht ganz deiner Meinung bin, verstehe ich deine Bedenken. Natürlich wird dieser Tag auch wieder von einigen Leuten instrumentalisiert werden. Natürlich wird es auch den einen oder anderen Demonstranten geben, der meint, mit dem Kauf einer weißen Rose alles getan zu haben. Sicherlich wird es auch wieder Demonstranten geben, die das ganze für eine geile Party halten und für die das ganze nur durch Gewalt und Schlägerei zum Erfolg wird. Aber soll ich deswegen zu Hause bleiben und den Kopf in den Sand stecken? Ist es nicht so, dass man beides braucht – sowohl die unpopuläre Arbeit mit der Jugend als auch das „Gesicht zeigen“ und „öffentlich Stellung beziehen“? Kann man so einen Tag nicht auch dazu nutzen, unsere Oberen darauf hinzuweisen, was man besser machen kann? Vielleicht Plakate auf denen man darauf hinweist, dass die angekündigte Kürzung der Förderung von Jungedarbeit um ein Drittel (vielen Einrichtungen droht wohl das Aus) nicht der richtige Weg ist. So hätten die viel gescholtenen Medien neben den blümchenverzierten Politikern noch was konstruktives zu senden.
Mal etwas ketzerisch gefragt: Wäre die Machtergreifung 1933 möglich gewesen, wenn sich die Bevölkerung stärker öffentlich gewehrt hätte?
„Wäre die Machtergreifung 1933 möglich gewesen, wenn sich die Bevölkerung stärker öffentlich gewehrt hätte?“
Das ist eine interessante, viel diskutierte Frage. Konzentriert man sich allein auf die politischen und gesellschaftlichen Umstände vor 1933, so muss man zunächst feststellen, dass die deutsche Gesellschaft zutiefst am Boden lag, sowohl moralisch als auch sozial und wirtschaftlich, schon allein durch das nachwirkende Ereignis des Ersten Weltkrieges und der folgenden Weltwirtschaftskrise. Auch die durch Revolution erwirkte erste Demokratie auf deutschem Boden war mehr als fragil, die Mehrheitsgesellschaft mit ihren Werten und Vorstellungen noch halb der Monarchie verhaftet.
Und in diese Zeit der Unsicherheit, der Orientierungslosigkeit platzten die Nationalsozialisten um Hitler. Schaut man sich nun die Wahlen zum Reichstag an, so stellt man wiederum fest, dass die Nazis bis etwa 1930 nie größere Bedeutung erlangten, im Gegenteil, sie dümpelten im ein- und niedrigen 2-stelligen Bereich herum. Weitaus größere Zustimmung fanden die KPD und auch die SPD und das Zentrum.
Es war viel mehr das interparteiliche Ringen um die Vormachtstellung und den politischen Kurs zwischen Demokraten und Konservativen Nationalisten, das 1930 die Nazis ins Spiel brachte, denn die brauchte man nun, um die linken Vertreter der Demokratie auszubooten. Im Volk hatten die Nazis bis dato nie eine nennenswerte Basis und auch an die Macht kamen sie 1933 nicht durch demokratische Wahlen, sondern durch einen Kuhhandel der Nationalkonservativen mit Hitler. Schon im Vorfeld der Machtübertragung Hindenburgs an Adolf Hitler waren diversen Erlässen und Verordnungen das Grundgesetz außer Kraft und der Notstand vorhängt worden, der in der Folge das rücksichtslose Vorgehen der SA gegen die Opposition und kritische Stimmen im Volke ermöglichte – VOR der Machtergreifung wohlgemerkt.
Vor diesem Hintergrund die Möglichkeit des Volkes bewerten zu wollen, sich „noch mehr zu wehren“, möchte ich ehrglich gesagt nicht wagen.