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Okt 09 2010

Auswärtssieg!

Kategorie Dies & Das


Wenn die bessere Hälfte in der Zeit des Zusammenlebens nach und nach das Interesse am Fußball entdeckt – und wenn dies sogar zu Sätzen wie „Ich wünsche mir zum Geburtstag Karten für ein Spiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft“ führt, dann lasse ich mich nicht lumpen, sondern greife ohne zu zögern auch mal etwas tiefer in die Geldbörse. Zugegebenermaßen nicht ganz uneigennützig – umso besser! So kam es, dass ich für einen stattlichen Betrag zwei Karten für das gestrige EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion ergattern konnte. Obwohl der DFB in weiser Vorraussicht auf das große Interesse der türkischen Fans auf die Karten einige tausend Exemplare exklusiv an Mitglieder des DFB-Fanclubs verkaufte, waren die deutschen Fans knapp in der Unterzahl. Bereits im Vorfeld äußerten viele die Befürchtung, dass das Zusammentreffen der beiden Mannschaften in der Stadt mit den meisten Einwohnern mit türkischem Migrationshintergrund (ich liebe diesen Begriff), problematisch werden könnte.

Das Gegenteil war der Fall. Als wir Stunden vor dem Spiel durch die Stadt spazierten, zeigte sich uns ein geradezu harmonisches Bild. Sowohl Döner- als auch Currywurstbuden hatten doppelt geflaggt. Die Berliner zeigten, dass es in ihrer Stadt augenscheinlich gar kein Integrationsproblem gibt. Friede – Freude – Eierkuchen – wer hätte das gedacht. Auf dem Weg zum Stadion wurde mir, als jemanden, der Integrationsprobleme nur aus dem TV oder aus Publikationen von Ex-Bundesbank Vorständen kennt, das erste Mal etwas mulmig. Die türkischen Fans waren eindeutig in der Überzahl und zeigten auch lautstark, dass sie in bester Laune waren und brachten ihre Zuversicht über ein erfolgreiches Spiel ungeniert zum Ausdruck. Aus der Menge heraus brüllte einer etwas unschönes über Mesut Özil – AHA – also doch – diese Türken – unfaires Pack. Bevor sich jedoch diese Gedanken in meinem Kopf breit machen konnten, wurde der Störenfried gleich von einem anderen türkischen Fan ebenso lautstark zurechtgewiesen. O-Ha. Sollten sich etwa gar nicht alle Türken als "unfaires Pack" abstempeln lassen? Sollte es auch bei ihnen ab und an "gesellschaftliche Ausreißer" geben, die einfach nur schlecht erzogen sind oder keinen guten Charakter haben? Wie ähnlich sie uns Deutschen doch sind – verrückt. Aber ich schweife vom Thema ab…

…im Stadion angekommen zeigte sich uns ein ganz ähnliches Bild. Die Fans der "Gastmannschaft" waren in der Überzahl und nur langsam füllte sich der vom DFB für den DFB-Fanclub reservierte Bereich. Überall sonst im Stadion – also auch rund um unsere Sitzplätze – waren die Fangruppen bunt gemischt. Man stelle sich das mal bei einem Dynamo-Spiel hier in Dresden vor. Das Olympiastadion war mit 74.244 Besuchern komplett ausverkauft. Die Stimmung war überwältigend. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Fans fiel auf, dass die Anhänger der Deutschen Nationalmannschaft weniger umfangreich mit Fan-Artikeln ausgestattet waren. Ich selbst bin auch eher jemand, der diesen Plunder nicht zum Glücklichsein braucht. Die türkischen Fans scheinen da geschlossen eine andere Meinung zu haben. Ebenso zeigte sich, dass die Begeisterung des türkischen Fans von Beginn an präsent war, während der deutsche Fan eine gewisse Anlaufzeit brauchte. Dies lag vermutlich auch daran, dass für uns ein EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei nicht unbedingt der ganz große Knaller ist. Während die türkischen Fans immer dann, wenn ein deutscher Fan auf der Leinwand erschien, ein gellendes Pfeiffkonzert anstimmten, verbrachte meinereiner die Minuten Stunden bis zum Anpfiff mit dem Studium der vom DFB ausgeteilten Fan-Lektüre. Und was musste ich dort lesen? Gerade mal ein einziger Spieler des Aufgebots der Deutschen war älter als ich. Augenblicklich verfiel ich erschüttert in eine resignierende Schockstarre und wartete geduldig auf den Anpfiff. Diesem folgte dann ein erstaunlich gutes Spiel. Mit Sichtkontakt zu unser aller Frau Bundeskanzlerin konnten wir eine kontrolliert spielende Deutsche Mannschaft beobachten, die dem Gegner nur wenig Spielräume ließ. Kam dann doch mal ein Stürmer der Türken bis vor das deutsche Tor, konnte man sich auf die Abwehr, oder in allerhöchster Not auch auf Manuel Neuer im Tor, verlassen. Dass der deutsche Angriff anfangs noch sehr zögerlich agierte, lag vermutlich an der ungewöhnlichen Heimkulisse. Etwas trauig auch, dass Mesut Özil dann doch bei jedem Ballkontakt gnadenlos ausgepfiffen wurde. Ein Großteil des Spiels merkte man Özil auch an, dass diese Reaktion ihm schon zu Herzen ging. "So ist Fußball halt" – schien er sich in der 79. Minute zu sagen und hämmerte das Leder selbst ins türkische Netz zum 2:0. Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt war nicht mehr viel von den türkischen Fans zu hören. Kein Wunder – die ersten Schlachtenbummler verließen traurig das Stadion. Wir blieben natürlich bis zum Schluss und feierten den 3:0 Sieg unserer Mannschaft.

Alles in allem ein gelungener Abend und nebenbei auch das beste Geschenk, was ich je meiner Frau schenken durfte. ;-). Es muss ja nicht immer eine Lastminute Mallorca Reise sein.

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