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Mrz 08 2015

Ein Kind namens Döner – oder – der ganz normale Wahnsinn

Kategorie Kinderkacke

Vor kurzem erkrankte unser Kind an einer Mittelohrentzündung. Der Kinderarzt verschrieb das altbewährte Hausmittel „warme Zwiebeln auf die Ohren“. Da sich unser Kind (noch) nicht dagegen wehren konnte, nannten wir es aus diesem Grund bis zu seiner Genesung liebevoll Döner. Bis es wieder gesund war, hatte unser Kind Krippenverbot. Um einen der raren „Kindkrank-Tage“ zu sparen, entschlossen wir uns dazu, an einem Tag der Woche das Kind zu „teilen“. Dies ist natürlich nicht wörtlich gemeint. Dank unserer Berufe und der jeweils kulanten Arbeitgeber ist dies glücklicherweise problemlos möglich. Dennoch erforderte dieses Vorhaben die genaue Planung der Übergabe. Da das Kind laut dem Kinderarzt möglichst oft an der frischen Luft verbringen sollte, wollte ich das Stündchen Fußweg bis zu meiner Arbeitsstelle mit dem Kinderwagen zurücklegen, um dann dort den Staffelstab an meine Frau zu übergeben. Ein einfacher Plan dessen Gelingen jetzt nicht unbedingt hätte angezweifelt werden müssen. Einen Knackpunkt gab es allerdings. Um den Zeitplan dieses Vorhabens exakt einzuhalten (ich bin da leider etwas pedantisch veranlagt), war es zwingend erforderlich, dass das Kind erst kurz vor der Abreise sein Mittagessen zu sich nimmt. Selbiges müsste dann allerdings möglichst reibungslos über die Bühne gehen, nur dann wäre unser pünktliches Erscheinen am vereinbarten Treffpunkt gewährleistet.

Der Plan schien anfangs auch aufzugehen. Exakt zur richtigen Zeit stand das Essen wohl temperiert auf dem Tisch und der kleine Nimmersatt begann die Nahrung auch zügig und ohne Proteste in seine Futterluke zu schaufeln. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert – dachte ich noch so bei mir. Doch dann machte ich den entscheidenden Fehler. Ich fragte – so wie es sich für einen fürsorglichen Vater gehört – ob denn nicht auch der eine oder andere Schluck Saft aus dem Becherchen getrunken werden könnte. Noch bevor ich meine Frage zu Ende gefragt hatte, bemerkte ich meinen Fehler. Wie in Zeitlupe sah ich, wie sich der kleine noch nicht besonders geschickte Arm des Kindes vom Tisch erhob und in einer ausladenden Bewegung Richtung Becher wanderte. Es kam wie es kommen musste. Die Hand des Kindes stieß an den bis zum Rand gefüllten Becher Saft. Einen klitzekleinen Moment lang hatte ich die Hoffnung, dass sich noch alles zum Guten wenden würde. Der Becher kippte – natürlich noch immer in Zeitlupe – und erreichte seinen Scheitelpunkt. Hier blieb die Zeit kurz stehen. Hop oder Top? Ich spürte, wie sich der fragende und bis zu diesem Zeitpunkt ahnungslose Blick des Kindes an meine weit aufgerissenen Augen heftete. Der Becher schwankte zurück. Ohne irgendein Geräusch zu verursachen (ein Hoch auf Plastebecher) kippte er endgültig um und entließ seinen Inhalt in die Freiheit. Nun endlich hatte auch der Junior den Grund meines Entsetzens geschnallt und tat was er in solchen Situationen immer tut. Er lachte sich schlapp. An dieser Stelle sollte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich die Lache unseres Kindes ungefähr so anhört:

Während ich noch damit beschäftigt war, mir zu überlegen, was denn als nächstes zu tun wäre, bahnten sich die Fluten schon ihren Weg über den Tisch. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass es sich bei dem Getränk um Karottensaft handelte. Man müsste versuchen, den Saft auf der abwaschbaren Tischdecke zu halten, damit dieses aus Textilien schwer entfernbare Karottenzeug keinen Schaden anrichten würde…

Während ich noch mit der Analyse der Gesamtsituation beschäftigt war, war mein Sohn schon einen Schritt weiter. Blitzschnell riss er beide Arme in die Luft und ließ die Hände voller Freude über die unerwartete Abwechslung auf den Tisch klatschen. Schon spritzte mir der Saft ins Gesicht. Ganz toll. Geistesgegenwärtig zog ich den Kinderstuhl vom Tisch weg. So ein Kinderstühlchen ist schon was feines, da er den Aktionsradius des Kindes auf einen festgelegten Bereich begrenzen kann. Nun erst wurden die wahren Ausmaße dieses kleinen Missgeschicks sichtbar. Der Saft war bereits vom T-Shirt über die Hosen in die Hausschuhe des Kindes gelaufen und von dort auf den Boden getropft. Meine Schockstarre löste sich glücklicherweise etwas, so dass ich mich dazu im Stande fühlte, zum Küchenpapier zu greifen. Schnell hatte ich den Saft auf dem Tisch zurückgedrängt. Auf dem Fußboden wurde die Angelegenheit schon etwas komplizierter. Essensreste hatten sich mit dem Saft verbunden und erschwerten dessen Entfernung. Dennoch kam ich ganz gut voran – bis ich plötzlich eine Hand auf meinem Rücken spürte. War ihm eigentlich bewusst, dass er noch vor wenigen Sekunden seine Hände mit Karottensaft getränkt hatte? Ich drehte mich um und sah, dass sich seine Laune noch nicht wesentlich verschlechtert hatte. Ganz im Gegenteil – er schien seinen Spaß zu haben. Ich holte tief Luft, um ihm zu erklären, dass das alles andere als lustig wäre – da klingelte es an der Tür. Super! Wenn das nicht mal der lauffaule Postbote war, der ständig immer nur bei uns klingelt, um dann den ganzen Krempel der Nachbarn bei uns abzuliefern. Dummerweise erwartete auch ich eine Lieferung, so dass ich mich zähneknirschend doch dazu entschied, die Tür zu öffnen. Das Kind befreite ich vorher aus dem Stühlchen und zog ihm das völlig durchnässte T-Shirt nebst der Hose aus. Erst als ich dem Postboten gegenüber stand, merkte ich, was für ein erbärmliches Bild wir abgaben. Während mir der Stress eines überforderten Vaters im Gesicht geschrieben stand, hing an meinem Hosenbein ein Kleinkind – nur mit einem halbdurchnässten Body bekleidet und einer Ladung Kartoffelbrei in den Haaren. Moment! Kartoffelbrei? Der gehörte doch zu meiner Mahlzeit. Wie schaffte er es dann von meinem Teller auf den Kopf des Kindes?

Der Postbote hatte natürlich kein Paket für uns, sondern wollte nur freundlichst anfragen, ob er nicht ausnahmsweise mal einen halben Kubikmeter Pakete diverser Nachbarn bei uns einlagern könnte. Schlechter Zeitpunkt – dachte ich so bei mir – griff nach meiner Pumpgun und…nein…natürlich nicht. Ich biss auf die Zähne, malte meine drei Kreuze auf seinen Scanner und schloss die Tür ausnahmsweise mal etwas lauter als sonst. Es dauerte einige Tage, bis er sich wieder bei uns blicken ließ.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. In Windeseile hatte ich dem Kind frische Kleidung rausgesucht und angezogen, Sachen eingeweicht, Schuhe abgebürstet und zum Trocknen auf die Heizung gelegt, den Tisch abgeräumt und abgewischt, das Kind mit Jacke, Matschhose, Mütze, Schal und Handschuhen bestückt. Selbst für das Anziehen meiner eigenen Sachen war noch Zeit. Schon saß der Zwerg im Kinderwagen und wir sausten mit dem Fahrstuhl nach unten. Etwas abgehetzt kamen wir nach knapp einer Stunde Fußmarsch am vereinbarten Treffpunkt an. Viel zu zeitig, wie ich feststellen musste.

Ein Kommentar

Ein Kommentar zu “Ein Kind namens Döner – oder – der ganz normale Wahnsinn”

  1. JoDerBaeram 06. Apr 2015 um 09:43 Uhr

    Hallo,
    Mein Senf zum Thema Mittelohrentzündung.
    Ich war noch nie Freund von Zwiebelsäckchen und Co. . Meine Tochter hatte öfters Mittelohrentzündung, und wir haben auch brav Antibiotika gegeben. Was uns der Ohrenarzt verschwiegen hat: a) Man kann in so einem Fall Röhrchen ins Trommelfell setzen lassen, damit der Eiterabfliessen kann
    b) Auch bei korrekter Gabe von Antibiotika können sich Resistenzen bilden.
    Im Alter von 3 Jahren wurde das Hören immer schlechter, so dass wir auf eigene Faust ein Röhrchen setzen liessen. Mit dem Ergebnis, dass das Hören in einem Ohr gerettet werden konnte, im anderen nicht. Dort ist wahrscheinlich die Entzündung ins Innenohr durchgebrochen…
    Seitdem weiß ich, dass man MOE nicht auf die leichte Schulter nehmen darf 8-(
    Gruß
    JDB

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